Selbst kleine Käfer benötigen große Schutzgebiete: Die Organisation der Biodiversität im Kronenraum tropischer Regenwälder
Veröffentlicht am: Donnerstag, dem 10. Januar 2019
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London – Januar 2019: In einer jetzt im Journal of Natural History publizierten Studie untersuchen Ökologin Susan Kirmse und Entomologin Caroline Chaboo, wie Diversität organisiert ist. Die Forscherinnen beobachteten dazu Käfer im Kronendach des Amazonischen Regenwaldes. Die meisten Käfer beanspruchten viele Wirtsbaumarten und wanderten deren Nahrungsanbot folgend, zwischen oft weit entfernten Baumkronen, umher. Zugang zum Kronendach dieses ursprünglichen Waldes gewährleistete ein 40 m hoher Turmdrehkran.
Der rasante Verlust an Biodiversität weltweit, welches das erschreckende Insektensterben einschließt, ist eine der folgenreichsten Bedrohungen für die Menschheit. Organisationen und Regierungen regional und international richten daher zunehmend ihre Aufmerksamkeit auf dieses Problem. Die Zerstörung tropischer Wälder trägt überproportional zum Aussterben von Arten bei, da diese Ökosysteme den größten Reichtum landlebender Organismen beherbergen. Die Voraussetzung zum Schutz dieses Erbes der Menschheit ist, die Organisation und Struktur der Biodiversität zu verstehen.
Die Autoren stellen erstmalig Beobachtungsdaten aus dem Kronenraum eines äquatorialen, nicht-saisonalen tropischen Regenwaldes in einem abgeschiedenen Gebiet im Süden Venezuelas vor. Der Kronenraum tropischer Regenwälder ist eine der komplextesten und vielfältigsten Lebenszonen der Erde. Käfer sind die artenreichste Ordnung der Insekten und weisen im Kronenraum tropischer Regenwälder eine extreme Vielfalt auf.
Kronendach: Hort der Vielfalt
Biologin Kirmse sammelte insgesamt 1783 Blattkäfer und erfasste die Wirtsbäume und Nahrung dieser Tiere über den Zeitraum eines Jahres. Die 1783 Käfer erwiesen sich nach eingehender Studie im Labor als 117 verschiedene Arten. Viele davon sind der Wissenschaft noch unbekannt. Für Blattkäferspezialisten aus aller Welt wird die Beschreibung dieser neuen Arten eine Herausforderung in den kommenden Jahren.
Die Analyse der gewonnenen Daten ergab, wie eine kronenbewohnende Käfergemeinschaft mit ihren Wirtsbäumen verbunden ist. Dabei bestimmt die auf den Wirtsbäumen verfügbare Nahrung die Verteilung der Blattkäfer. Die Wissenschaftler beschreiben in ihrer Studie das Verhalten häufiger Arten. Dabei stellten sie fest, dass die enorme Vielfalt gemeinschaftlich vorkommender Arten durch eine breite Nischenüberlappung und hohe Flexibilität gefördert wird. Allein auf einer einzelnen Baumkrone wurden bis zu 32 verschiedene Blattkäferarten gesammelt.
Die Mehrheit der kronenbewohnenden Blattkäfer Amazoniens fraβ an Blüten, wobei die Hälfte aller Arten ausschließlich dort gefunden wurde. Häufige Arten zeigten oft Blütenstetigkeit über die gesamte Blühzeit eines Baumes hinweg, bevor sie auf einen anderen Baum mit einem reichlichen Nahrungsangebot wechselten. Bemerkenswert, nur wenige der Blattkäfer, obwohl das ihr Name nahelegt, fraßen Blätter.
Kleine Käfer brauchen Platz
Die Studie macht deutlich, dass sogar eine einzelne Käferart auf einen weiträumigen und vielfältigen Lebensraum angewiesen ist. Die Mehrheit aller kronenbewohnenden Blattkäfer nutzte verschiedene Wirtspflanzen. Allerdings sind sie nur zeitweise mit ihren Wirtsbäumen verbunden. Das trifft sowohl auf die Periode als auch auf die Tageszeit zu. Die meisten Käfer suchen ihre Wirtsbäume lediglich in bestimmten phänologischen Phasen, wie während der Baumblüte auf.
Zukünftige Studien über kronenbewohnende Käfer müssen dieses Wanderverhalten beim Studium von Interaktionen und Assoziationen zwischen Pflanzen und Tieren beherzigen. Die Ergebnisse der beiden Forscherinnen legen nahe, dass Konzepte zum Schutz von Regenwäldern beachten müssen, dass sogar kleine Insekten weiträumige Gebiete zum Überleben benötigen.
Herausforderung der Artenvielfalt
Käfer können 20-25% des Faunenreichtums eines tropischen Landökosystems ausmachen. Daher spielen diese Insekten eine Schlüsselrolle in vielen ökologischen Prozessen. Die vorwiegend pflanzenfressenden Blattkäfer sind mit über 40.000 beschriebenen Arten eine der artenreichsten Käferfamilien. Trotzdem wissen wir bisher nur sehr wenig über sie; über ihre Biologie, ihre Verbindungen zu ihren Futterpflanzen oder wie sie ihre Gemeinschaft im extrem komplexen Biom des Kronendaches organisieren. Die Herausforderung bei der Erforschung dieses Lebensraumes ist, die bis zu 40 m hohen Baumwipfel im Amazonischen Regenwald zu erreichen, die ein einzigartiges Ökosystem hoch über dem Waldboden bilden.
Die Käferstudie war Teil eines interdisziplinären Forschungsprojektes (Surumoni-Kran-Projekt), welches von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Kooperation mit der Venezolanischen Regierung ins Leben gerufen wurde. Die politische Unsicherheit in Venezuela und anderen tropischen Ländern beeinflusst sowohl die Forschung als auch den Schutz der Biodiversität negativ. Nichtsdestotrotz, im Angesicht des rasanten Verlustes primärer tropischer Regenwälder rund um den Globus hat nicht nur der Schutz dieser artenreichen Ökosysteme oberste Priorität, sondern auch die Erforschung der ökologischen Prozesse, die dieser überwältigenden Diversität zugrunden liegen.

Quelle:
Kirmse S. & C.S. Chaboo (2018): Polyphagy and florivory prevail in a leaf-beetle community (Coleoptera: Chrysomelidae) inhabiting the canopy of a tropical lowland rainforest in southern Venezuela. Journal of Natural History 52(41-42): 2677-2721. DOI: 10.1080/00222933.2018.1548666

Weitere Informationen:
http://www.tandfonline.com/loi/tnah20
https://doi.org/10.1080/00222933.2018.1548666

Redaktion und Kontakt:

Susan Kirmse
PR-Beraterin DPRG

Zum Pichoblick 6
02633 Gauβig

E-Mail: susankirmse@gmx.net








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